Auf der Suche nach dem Friedhof von Sigtuna
Seid ihr auf einer Reise schon einmal an einem fast geisterhaft anmutenden Friedhof vorbeigekommen und neugierig geworden, diesen zu erkunden?
Genau das ist mir vor einigen Tagen passiert, als ich in Schweden war und durch die Straßen einer der ältesten Orte des Landes schlenderte, und zwar in Sigtuna.
Sigtuna und sein Friedhof
Sigtuna ist eine Stadt in der Provinz Stockholm und liegt etwa 50 km nordwestlich der Hauptstadt.
Diese Stadt wurde im Jahr 980 von König Erik Segersäll gegründet und ist dafür bekannt, dass sie einst ein Wikingerdorf war, das nicht nur Schwedens erste Stadt werden sollte, sondern auch eine der ersten christlichen Gemeinden.
In Sigtuna findet man mehr Runensteine als in jeder anderen schwedischen Stadt. Bis heute sind über 150 Stück auf einer Gesamtfläche von etwa 4,52 km² erhalten.
Die Runen sind alte Schriftzeichen der Germanen, die in den skandinavischen Ländern weit verbreitet sind.
In der Nähe des Stadtzentrums erhebt sich die Sankt-Olof-Kirche und der dazugehörige Friedhof.
Kirche und Friedhof St. Olof
Wenn man heute durch die Straßen von Sigtuna spaziert, entdeckt man enge Gassen mit bunten Häusern und kleinen Geschäften. Der Ort versprüht ein typisches Flair und vieles erinnert an die Vergangenheit.
An einem verregneten Tag schlenderte ich durch diese Straßen und Gassen, bis ich an einem kleinen Friedhof vorbeikam, in dessen Mitte sich eine Kirchenruine befindet.
Und dann… bin ich auf den Friedhof gegangen!
Gleich beim Eingang zur Friedhofsanlage erhebt sich die Marienkirche (Mariakyrkan) aus rotem Backstein, die als ältestes Gebäude des ganzen Tales gilt. Als ich in Richtung Friedhof weiterging, kam ich zur Ruine von einer der drei mittelalterlichen Kirchen in Sigtuna, nämlich zur Kirche Sankt Olof, die Mitte des 12. Jahrhunderts erbaut wurde. Die zwei weiteren Kirchen Sankt Lars und Sankt Per befinden sich in anderen Teilen der Stadt.
Diese Kirchen bleiben für die Wissenschaftler ein Rätsel, weil sie aus Stein gebaut wurden und nicht etwa aus Holz, wie es in Schweden in jener Epoche üblich war.
Scheinbar verfügt Sigtuna über mehrere letzte Ruhestätten. Da es sich um die erste christliche Stadt handelt, zog es viele Christen hierher, um ihre lieben Verstorbenen zu begraben und ihnen eine Beerdigung nach ihren religiösen Vorgaben zu ermöglichen. Stellt euch vor, was für eine lange Reise diese Menschen auf sich genommen hatten, und das mit den damaligen Verkehrsmitteln: Karren, Eseln oder Pferden. Sicherlich gab es noch keine Leichenwagen!
Auf dem Friedhof rund um die Sankt-Olof-Kirche spürt man förmlich die Geschichte. Obwohl er den Einwohnern von Sigtuna auch heute noch als letzte Ruhestätte dient, bleiben manche Flächen praktisch unverändert, um an die Vergangenheit zu erinnern.
Die Ausgrabungen am Friedhof von Sigtuna
In Sigtuna wurden seit 1915 bis heute viele Ausgrabungen durchgeführt, um die Geschichte der Stadt zu rekonstruieren. Man hat unter anderem durch Untersuchungen an ausgegrabenen Skeletten festgestellt, dass es um den Gesundheitszustand der Einwohner schlecht stand. Das Seltsamste, das ich gelesen habe, war, dass es zu einer allmählichen Abnahme der Körpergröße von Frauen zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert kam.
Was ist mit Abnahme der Körpergröße gemeint? Die gefundenen Skelette aus dem 11. Jahrhundert wiesen eine gewisse Länge auf und wurden später immer kleiner. Scheinbar gibt es für diese Tatsache keine andere Erklärung als eine unzureichende Ernährung, eine Zunahme von Infektionskrankheiten und eine fortschreitende Verschlechterung des Gesundheitszustands der Bevölkerung.
Meine Überlegungen zu Sigtuna
Sigtuna ist eine ganz bezaubernde Stadt. Mich haben schon immer Orten beeindruckt, in denen Vergangenheit und Gegenwart harmonisch miteinander verbunden sind und die Geschichte lebendig gehalten wird. Daher liebe ich die nordischen Länder: Als ich in Irland, Schottland, England und jetzt in Schweden war, habe ich Orte besucht, an denen ich – sobald ich meinen Fuß auf den Boden setzte– in eine andere Dimension hineingesogen wurde. Ich durfte eine Welt erkunden, die sich von unserer heutigen unterscheidet.
Erinnern wir uns daran, wie faszinierend Geschichte sein kann, nicht nur um mehr über unsere Wurzeln zu erfahren und unsere Herkunft zu verstehen, sondern auch um uns selbst besser kennenzulernen.
So wie jeder von uns das Ergebnis aller Erfahrungen ist, die man im Laufe des Lebens gesammelt hat, so sind wir – aus einer breiteren Perspektive gesehen – das Ergebnis aller Erfahrungen unserer Vorfahren.
Zum Abschluss möchte ich einen Satz aus Die Göttliche Komödie von Dante Alighieri zitieren: „Ihr seid nicht da, zu leben wie die Tiere, Ihr sollt nach Tugend und nach Wissen streben.“
In diesem Sinne, bleibt wissenshungrig!
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